Dieser Artikel erklärt die Unterschiede zwischen zwischen Sketchnotes, Graphic Recording, Visual Facilitation und Illustration. Falls Sie Graphic Recording für Ihre Veranstaltung suchen, sprechen Sie mich gerne an. Das ist auch remote möglich!
Seit ich mich mit Sketchnotes beschäftige und selbst mit Sketchnotes arbeite, treibt mich die Frage um, wie genau sich Sketchnotes und Graphic Recording eigentlich unterscheiden. Graphic Recorder habe ich immer ein bisschen bewundert, zum einen weil sie ein unglaubliches Arsenal an Neuland Stiften besitzen und nutzen.
Zum anderen weil sie sich problemlos im großen Format bewegen und sich nichts daraus machen, wenn ihnen Hunderte Leute beim Zeichnen über die Schulter quasi direkt auf den Stift schauen.
Ein Beispiel für ein analoges großformatiges Graphic Recording von Ben FelisMir kommt das kleine Format irgendwie eher entgegen. Aber die wenigen Male, die ich im großen Format gearbeitet habe, hat es mich schon etwas gereizt das öfter zu machen. Irgendwie gab es da aber immer eine Hürde zwischen »Wollen« und »Machen«, denn offenbar schienen Welten zwischen Sketchnotes und Graphic Recording zu liegen jenseits von Material und Größe.
So habe ich im Laufe der Jahre versucht, mir in Gesprächen und im Austausch mit anderen Visualisieren selbst ein Bild zu machen. In der Tat ist die Szene gerade sehr in Bewegung, weil das Arbeitsfeld der Visualisierer größer wird und damit auch die Akzeptanz des »Kritzelns«.
Im November gab es eine zweitägige Konferenz der European Visual Facilitators, in dem es unter anderem um dieses Thema ging. Wie sich zeigte, haben viele Visualisierer das Bedürfnis nach einer klareren Definition der Begriffe und nach Standards, die es auch für Kunden einfacher macht, ihre Bedürfnisse einzuordnen. Das war der Kern der der Veranstaltung. Ich habe sehr angeregte Gespräche dazu geführt und versuche mich nun hier selbst an einer Definition, die wohl gemerkt meine persönliche Sichtweise ist.
Es würde mich freuen, wenn sie einen Austausch anstößt.
Was sind Sketchnotes?
Von der Definition her sind Sketchnotes eigentlich als private Visuelle Notizen im kleinen Format gedacht und sind somit im Grunde die kleine Schwester des Graphic Recording. Da aber auch die Sketchnoter immer professioneller werden, sind viele Sketchnotes inzwischen auch sehr gute visuelle Zusammenfassungen für Außenstehende. Wenn ein Sketchnoter schon viele Jahre Erfahrung hat, dann kann auch eine kleine Sketchnote oder ein digitales Protokoll am iPad durchaus ein gelungenes Graphic Recording sein, auch wenn die eigentliche Intention anfangs war, diese Sketchnote für sich selbst zu erstellen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass sehr viel »Sketchnote« genannt wird, das eigentlich keine ist – wenn man die exakte Definition heran zieht. Kunden mögen den Begriff weil er so »trendy« ist, Lehrer benutzen ihn für ihre Tafelbilder, Coaches nutzen ihn für visuelle Prozessbegleitung. Das sind alles per se kleine klassischen Sketchnotes, eher Visualisierungen. Ich selbst bin hier aber nicht so streng in der Nutzung des Begriffs, denn wenn es der Sache und dem Verständnis gut tut, dann darf man es meiner Meinung nach auch Sketchnotes nennen, wenn Visualisierung gemeint ist.
Für viele sind Sketchnotes auch der Einstieg in das Thema Visualisierung und Visual Thinking überhaupt und das werte ich als eine gute Sache.
Wie ich bereits an dieser Stelle erwähnt habe, unterscheide ich hier zwischen Live und Nicht-Live-Visualisierung, da die Herangehensweise eine andere ist.
Aufgabe einer Sketchnote:- Ein visuelles Protokoll erstellen, das hauptsächlich der privaten Nutzung dient
- Wird häufig per Social Media geteilt
- Anwendungsgebiete sind sehr breit gefächert: Von Rezepten, zu Reiseplanung bis Meetings
Was ist Graphic Recording?
Beim Graphic Recording werden Inhalte wie Gespräche oder Präsentationen in Bilder und Texte übersetzt. So entsteht ein visuelles Protokoll, das sehr häufig im großen Format angelegt ist, häufig mehrere Meter breit.
Zunehmend werden aber auch digitale Graphic Recordings auf dem iPad angefertigt, die einfach exportiert und verteilt werden können. Sie können auch an Projektoren angeschlossen und live an die Wand gestreamt werden und sind dann auch wieder großformatig. Da zeigt sich der bereits erwähnte fließende Übergang von Sketchnotes zu Graphic Recording, weswegen häufig auch gesagt wird, dass Graphic Recordings im Grunde ja große Sketchnotes sind.
Meist greift der Graphic Recorder nicht in den Prozess ein, sondern dokumentiert lediglich. Da er ein für alle Teilnehmer funktionierendes Protokoll erstellen soll, muss er seine persönliche Sichtweise etwas zurücknehmen. Aber auch ein Graphic Recording ist immer subjektiv und kann keine vollständige grafische Übersetzung sein.
Aufgabe eines Graphic Recordings:
- Ein visuelles Protokoll erstellen
- Komplexe Themen visuell und leicht verständlich aufbereiten
Was ist Visual Facilitation bzw. Graphic Facilitation?
Für mich persönlich ist Visual Facilitation die Königsdisziplin der Visualisierung. Hier geht es nicht nur um das reine Dokumentieren von Prozessen, sondern auch um das Eingreifen in den selbigen. Idealerweise werden dabei Zusammenhänge sichtbar, die den Mitwirkenden einer Gruppe so nicht klar waren.
Dabei wird ein Prozess visuell moderiert, das Visualisierte wird wieder in die Gruppe zurück gegeben und kann direkt aufgegriffen werden.
Hier kann die ganze Stärke der Visualisierung und von Bildern ausgespielt werden, denn komplexe Inhalte werden strukturiert erarbeitet, gestaltet und diskutiert.
Anwendungsgebiete sind Workshops, Veränderungsprozesse, Meetings, Projekte usw.
Aufgabe einer Visual Facilitation:- In Gruppenprozesse eingreifen
- Gruppenprozesse visuell begleiten und gestalten
Was ist Illustration?
Illustrationen sind eigentlich als Bilder gedacht, die Texte begleiten. Man kennt sie z.B. aus dem Editorial Bereich in Magazinen, auf Websites zur Unterstützung von Texten, in Büchern oder Kinderbüchern usw.
Auch wenn Illustrationen häufig sehr künstlerisch anmuten, haben sie eigentlich eher den Zweck des Erläuterns von Inhalten. Sie bereiten die Inhalte von Texten visuell auf und holen den Leser (emotional) ab. Damit unterscheidet sie sich von der Fotografie. Mein Illustrations-Professor Klaus Baumgart (Der Erfinder von Lauras Stern) sagte mal: Eine Illustration muss mehr können als ein Foto, sonst könne man Texten ja auch einfach ein Foto beifügen.
Dieser Satz ist bei mir hängen geblieben.
Seit dem Siegeszug der Visualisierung und des Graphic Recordings gibt es auch immer mehr Illustratoren, die in diesem Bereichen arbeiten. Die Illustratoren Organisation hat Graphic Recorder unter den Mitgliedern und die Künstlersozialkasse hat erst kürzlich entschieden, dass Graphic Recording KSK-abgabepflichtig ist.
Auch wenn gute Zeichenfähigkeiten nicht unbedingt die Voraussetzung für gute Graphic Recordings sind, ist es aber eben doch auffällig wie viele Illustratoren inzwischen auch Graphic Recordding anbieten.
Ich vermute, dass sich für Illustratoren hier ein interessantes und lukratives Betätigungsfeld ergibt. Leider ist Illustration nämlich häufig ein schwieriges Arbeitsumfeld wenn es um faire Bezahlung geht. Das ist ein generelles Problem der Kreativbranche.
Die Tagessätze für Graphic Recorder und Visualisierer sind da durchaus verlockend. Und natürlich müssen Illustratoren nicht erst das Zeichnen und Visualisieren lernen. Dafür aber das Zuhören, Filtern und Live-Zeichnen, das nochmal eine andere Herausforderung ist als am heimischen Schreibtisch Bücher zu illustrieren.
Was ist eine Infografik?
Die Infografik möchte ich an dieser Stelle mit anführen, da ich wenn ich von Sketchnotes erzähle, schon öfter gehört habe: »Ah, Infografiken!«
Auch wenn eine Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, ist eine Infografik doch etwas ganz anderes. Auch sie visualisiert Zusammenhänge, nutzt Bilder und Text und bereitet Inhalte visuell auf. Sie kann auch illustrative Elemente enthalten.
Dennoch ist die Arbeitsweise eine ganz andere, denn Infografiker wühlen sich häufig durch viele Datenmengen, tauchen dort tief ein und bereiten diese Inhalte dann nicht mit dem Zeitdruck der Live-Visualisierung auf. Aber natürlich gibt es auch hier Zeitdruck durch Deadlines, besonders wenn man im Redaktionellen Bereich arbeitet.
Infografiken werden häufig am Computer mit Vektoren erstellt.
Besonders tolle Infografiken hat z.B. die Berliner Morgenpost. Und das Buch »Deutschland verstehen« [Affiliate] hat viele tolle Beispiele für Infografiken.
Wo gibt es Schnittmengen?
Während der Diskussion auf der Veranstaltung im November kam ich ins Grübeln. Denn offensichtlich ist es nicht so einfach, jeden Bereich so einfach zu definieren und abzugrenzen – der Wunsch ist allerdings von Seiten der Visualisierer da.
Das hat viele Gründe. Es macht die Kommunikation nach außen und mit Kunden deutlich einfacher, was einer der Gründe ist, warum ich diesen Artikel hier schreibe. Viele Anfragen, die ich bekomme, fragen nach Sketchnotes, meinen aber eher Illustration oder eben Graphic Recording.
Eine klare Abgrenzung macht es der Branche und Kunden daher einfacher, das richtige »Produkt« zu finden.
Ich sehe aber einige Schnittmengen, wie man den Erklärungen dieses Textes entnehmen kann. Jemand der viel Erfahrung mit Sketchnotes hat, kann durchaus gute Graphic Recordings machen. Man muss sich dabei dann lediglich an das große Format ran tasten.
Oder man macht es direkt digital, dann verschwinden die Grenzen meiner Meinung nach völlig.
Häufig öffnen Graphic Recordings, die als reine visuelle Begleitung gedacht waren, auch neue Gespräche und Gedankengänge. Damit werden sie ebenfalls zu einer Form der Visual Facilitation.
Und dann steht natürlich die Illustration bzw. illustrative Skills über allem. Denn egal ob gelernter Illustrator oder nicht, an bestimmten Zeichen-Skills kommt man so oder so nicht vorbei. Und auch der visuelle Stil ist etwas, das bei Kunden durchaus gut ankommen kann und einen Unterschied bei der Auswahl des Recorders, Sketchnoters oder Facilitators macht.
Fazit – Visual Practioning und Visual Thinking
Die Visualisierungsszene hat sich in den letzten Jahren deutlich weiter entwickelt. Deswegen ist auch der Wunsch nach klarer Definition der einzelnen Tätigkeitsbereiche größer geworden.Es gibt Sketchnotes, Graphic Recordings, Visual Facilitation, Illustration, Infografiken, darüber hinaus noch Live-Zeichnen bzw. Event-Zeichnen, z.B. auf Hochzeiten oder Familienfeiern. Sie unterscheiden sich zwar alle inhaltlich, aber es gibt durchaus Schnittmengen unter den Disziplinen.
Alles würde ich unter den Begriffen Visual Practioning und Visual Thinking zusammen fassen.
Was denkt ihr?
Ein kleines Update: Diese Sketchnote habe ich für das Marketing-Magazin OnetoOne gemacht, um den Vorteil von Graphic Recording zu erklären.
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Hallo, ich bin auch über Sketchnotes zum Graphic Recording gekommen und kann viele Erfahrungen teilen. Sketchnotes sind gerade in und viele Kunden fragen Sketchnotes an, meinen aber Graphic Recordings. Ihnen die Unterschiede zu Erklären und genau herauszufinden, was sie wirklich meinen und dazu eigentlich noch brauchen ähnelt oft einer Befragung an einem Tatort 😉 an dem ein weißes Blatt Papier und vier Stifte liegen.
Ich erinnere mich an den ausgesprochenen Bedarf von der Konferenz Eurpean Visual Facilitators nach klaren Definitionen, verstehe auch warum, bin aber selbst jemand der die Begriffe bewusst nicht so streng abgrenzen möchte. Ich erlebe immer öfter, wie sich aktuell ‚Fachgebiete‘ mit dem Thema Visualisierung beschäftigen und gerade im wissenschaftlichen Bereich sind Sketchnotes wie Nadine beschrieben hat oft kleine sehr genaue Graphic Recordings, manchmal auch schon Infografiken. Je nach Thema und kondensiertem Fachwissen
Ich denke eine Art Definition für den Kontakt mit den Kunden ist sinnvoll, um für den Kunden das passende Produkt zu finden. ..insbesondere und das finde ich hier im Blogpost so schön, ist die gezielte Zuordnung des Tools nach seinen Aufgaben, was es also ‚leisten kann‘. Auch im Buch von Mathias Weibrecht ‚Co-Create‘ werden die einzelnen Tools so erklärt. Viel weiter würde ich es auch gar nicht einschränken, denn im Machen merke ich oft erst, dass dem Kunden vielleicht eher eine Art Mischform am besten hilft oder sich die Visualisierung von selbst in eine Mischform entwickelt.
Unterm Strich also?! : Grobe Einordnung mit dem WAS ES KANN finde ich gut um mit dem Kunden optimal zu kommunizieren was möglich ist und was nicht. ABER in den Schnittmengen und in der Freiheit der Gestaltung sowie dem Mischen einzelner Aspekte wenn es dem Zweck dienlich ist, denke ich.. liegt die Kür.
Das sehe ich auch so. Es hilft hoffentlich (daher diese Post), einmal alles entsprechend einzuordnen, aber ich sehe auch immer mehr, dass die klaren Grenzen verwischen und am Ende ist das auch egal, wenn das Ergebnis für den Kunden stimmt.
Sehr gelungener Artikel. Schön dargestellt und visualisiert. Ein sehr schöner Artikel. Ich sehe das genauso wie du, denke aber auch das sich die Themen immer wieder auch überschneiden und vieles in der Betrachtung des Anwenders liegt. Da auch, wie ich finde, sich die Sketchnotes umgangssprachlich durchgesetzt haben und so vieles damit betitelt wird. Ich denke das da dein Artikel eine Hilfe darstellen kann. Werde ihn dann auch gleich mal weiter streuen, das es hoffentlich noch viele Erreicht.
Dankeschön!
Hallo liebe „Sketcher“, ich habe den Artikel mit großem Genuss gelesen, weil sehr klärend und dennoch nicht einschränkend. Ich bin “ Anfängerin“ und arbeite seit vielen Jahren als Bildungsmanagerin, wo Visualisierungen (allerdings vorrangig über Texte auf Moderationskarten und Flipcharts) schon lange Standard waren. Illustrationen sind hier eine wichtige Erweiterung und erleichtern das Aufnehmen, Verarbeiten und damit das Lernen. Diesen wichtigen Aspekt möchte ich hier ergänzen. Und einen Wunsch: Viel mehr Visualisieru gs-Können für Lehrkräfte (also rein in die Lehrerfortbildung). Junge Leute heute sind sehr visuell geprägt und für nicht wenige ist das Lernen durch Visualisierung viel leichter (meine These), herzliche Grüße und vielen Dank für den anregenden und klaren, klärenden Text, Martina
Liebe Martina,
lieben Dank für deinen netten Kommentar. In der Tat gibt es demnächst einen kleinen Beitrag von mir zu dem Thema Sketchnotes in der Schule. Ich finde nämlich auch, dass es da noch mehr rein muss. Stelle ich sehr bald hier vor!
LG / N
Ich habe den Artikel als auch die Diskussion erst jetzt gesehen, und freue mich etwas beitragen zu können. Danke, Nadine, dass Du Dich einer wichtigen Erörterung mit annimmst. Denn es ist natürlich genau so, dass es in letzter Zeit relativ viel Verwirrung, Falsches, Unklares sowohl auf Seite der Ausübenden als auch auf Kundenseite gibt. Mit anderen Worten: viele Praktizierende aber auch vermehrt Kunden wissen nicht was sie anbieten, brauchen und was der Wert von der Leistung ist.
Warum ist all das wichtig? Angenommen man möchte im Bereich Visualisierung noch viele Jahre tätig sein, dann ist es ganz essenziell, und eine hohe Verantwortung, die Dinge klar zu haben – eben für sich, für andere Mitpraktizierende, als auch Kunden.
In Bezug auf Kunden ist natürlich ein ganz andere Fokus noch wichtiger: deren Probleme. Sie verbalisieren zwar dass sie etwas bestimmtes buchen wollen. Was “unter dem Eisberg ist” – worum es ihnen also wirklich geht – ist aber das Entscheidende, denke ich: die Lösung ihrer Probleme. Keiner will eine Bohrmaschine kaufen. Die Leute wollen das Loch in der Wand. Besser noch ein schöneres Heim.
Wie kann Klarheit geschaffen werden? Der Satz „offenbar scheinen Welten zwischen Sketchnotes und Graphic Recording zu liegen jenseits von Material und Größe“ trifft es ziemlich gut. Ich möchte kurz einige Dimensionen schildern, welche diese Welten ausmachen, und unter denen wir die Disziplinen anschauen können und sollten:
DIE GESCHICHTE
Graphic Recording gibt es seit Ende der 1970er Jahren, der erste Workshop fand 1980 statt. Ein damaliges Handbuch eines solchen Workshops von 1981 liegt mir vor, und ich bin viel im Austausch mit dem damaligem Workshopleiter, von dem auch der Begriff „Graphic Recording” stammt. Die Methode wurde damals von Facilitors (Prozessbegleitern) und Organisationsentwicklern erfunden, um Gruppenarbeit und Meetings effektiver zu machen. Jahrzehntelang war dies also etwas was in Gruppen und Meetings genutzt wurde um das, was dort passiert, nachhaltiger zu machen. Man sprach von *Interaktion* mit den Teilnehmern in Echtzeit, weil das Visual direkt mit im Kreis der Diskutierenden stehat, einen unmittelbaren Effekt auf die Diskussion hat, und diese mit beeinflusst. Von *Dokumentation* sprach man damals weniger, und jahrzehntelang hat keiner an Graphic Recording von Vorträgen, Konferenzen und ähnlichem gedacht – das gab es noch nicht.
Wenn wir heute also den Wunsch nach Definitionen in der Szene hören: eine klare Definition gab es schonmal, sie gerät nur wegen dem breiter werdenden Spektrum und vieler Neueinsteiger in die Vergessenheit.
Woran liegt das? Nun, am Anfang (1970-80iger) haben diejenigen die mit Graphic Recording und Visualisierung beginnen wollten von denen gelernt, die die Methoden erfunden haben. In der zweiten Welle (1980iger) dann haben neue Leute von den gelernt die von den Urhebern gelernt hatten; und in der dritten Welle (1990iger) wiederum von einer Generation danach. Damals begann dann auch langsamen eine internationale Verbreitung. In der vierten Welle (2000er) haben neue Leute dann von den sich herausbildenden Master Visual Facilitators gelernt. Und heute, der fünften Welle, beginnen Leute, insbesondere in Deutschland, einfach mit Graphic Recording loszulegen ohne ein Training zu haben und bringen es sich einfach selbst bei. Oder denken dies nur.
Das hat natürlich eine Menge Effekte. Doch was soll man tun? Graphic Recording Trainings gibt es nahezu überhaupt nicht, gute sowieso nur aus ein bis zwei Quellen. Allein das zeigt schon wie komplex und herausfordernd diese Tätigkeit ist.
Doch zurück zu den Definition: wie der Artikel richtig beschreibt gibt es eine Menge Arbeit die bereits gemacht wurde im Bereich Definition, vom globalen Berufsverband der Visual Practitioner und Graphic Recorder (IFVP http://www.ifvp.org) sowie der europäischen Initiative, die ihren Verband in Kürze gründen wird (EFVP, der im Artikel erwähnte Event im Nov. 2018).
Wer definiert was? Am besten lassen wir diejenigen zu Wort kommen, die etwas wirklich ausüben, und darin Erfahrung haben. Diese Diskussion würde also vollkommen anders ausfallen, wenn wir Visual Facilitators, Prozessbegleiter, Illustratoren, Strategievisualisierer, Sketchnoter usw. gleichermaßen einbeziehen würden.
Die Szene verändert sich. Der Begriff des Graphic Recordings erweitert sich. Sketchnoting kam hinzu und wächst damit stellenweise zusammen. Das ist gut! Mehr dazu weiter unten.
Zusätzlich ist zu bemerken, und nicht unwichtig, dass unterschiedliche Länder und Kulturen unter den selben Begriffen etwas anderes meinen. Die Szene, die Preise, die Definitionen haben aufgrund von lokalen Gewohnheiten also leicht unterschiedliche Ausprägungen zum Beispiel in USA, anderen europäischen Ländern, zu den deutschsprachigen Ländern. Ohne den Kern und die Essenz zu verlieren wie wir sie hören, wenn wir die jeweiligen Profis zu Wort kommen lassen.
Nun zu den Definitionen im Artikel
SKETCHNOTES – visuelle Notizen mit persönlichem Focus im Kleinformat, „die kleine Schwester des Graphic Recordings“.
Von mir als Außenstehendem betrachtet, da ich Sketchnotes nur für mich selber verwende und nicht im Rahmen meiner professionellen Tätigkeit, stimmt das bis auf die zweite Satzhälfte. Sketchnotes sind *auf keinen Fall* die kleine Schwester des Graphic Recordings. Und Graphic Recordings sind keine Sketchnotes in groß – was einer der Punkte war, den ich im Rahmen meines Vortrags „Myths and Magic of Graphic Recording“ auf dem #isc18lx genannt hatte. Den Begriff Sketchnotes gibt es seit 2012, Graphic Recording seit 1980.
GRAPHIC RECORDING – „visuelle Dokumentation in Echtzeit, meist im großen Format“, „häufig gesagt wird, dass Graphic Recordings im Grunde ja große Sketchnotes sind“…
Wie oben erwähnt sind Graphic Recordings viel mehr als Dokumentation. Während sie mal für Interaktion in Meetings erfunden wurden, hat sich Graphic Recording tatsächlich so weiter entwickelt dass man inzwischen mehrere Arten unterscheiden sollte. Denn der eine Begriff wird dem bunten Spektrum nicht mehr gerecht.
Ich würde sagen: „GR vorne im Raum“ und „GR an der Seite des Raumes“ – gemeint ist mehr der Fokus, statt der physische Ort, obwohl der dies oft auch unterscheidet. Unter „vorne im Raum“ fallen das facilitative GR und evtl. auch das „Generative Scribing“ von Kelvy Bird. Unter „an der Seite des Raumes“ fallen dokumentatives und illustratives GR.
Alle haben heute einen Markt, ihre Berechtigung, ihren Beitrag und ihre Schönheit. Allen Vetretern einer dieser GR-Arten tut es gut, um die anderen zu wissen. Wir gehören zusammen. Dies ist die große Herausforderung unserer jungen, ca. 45 Jahre alten Branche: dass wir uns sehen, respektieren, schätzen und unterstützen.
Zurück zu den Definitionen: Der VISUAL PRACTITIONER war und ist bis heute ein Prozessbegleiter – mit Stiften in der Hand. Mehrheitlicher Konsent z.B. auf dem EFVP-Treffen vom Nov. 2018 war: alle die visuell mit und/oder für Gruppen arbeiten.
Gute Definitionen haben auch Martin Hausmann und Karina Antons von bikablo, zu sehen z.B. hier https://www.youtube.com/watch?v=lb_Jqm8JF3E – ihren kompletten Vortrag stellen wir bald mal online. Und David Sibbet hier: https://davidsibbet.com/wp-content/uploads/2016/12/GF-RetrospectiveUpdated.pdf sowie Christina Merkley hier: https://www.shift-it-coach.com/2007/07/mural-on-history-of-graphic-facilitation-recording-fields/ – siehe auch ihr verlinktes PDF.
Zur Definition von ILLUSTRATION kann ich nichts sagen, was im Artikel steht klingt jedoch gut. Wichtig zu wissen ist: Graphic Recording ist keine Illustrationsmethode. Es ist eine seit über 40 Jahren existierende Facilitation-/Prozess-Methode die neuerdings (erst in jüngster Vergangenheit) vielfach von Illustratoren ausgeübt wird. Aber daher entstammt sie nicht. Illustration ist viel viel älter als GR. Und manche nehmen nun GR oder Sketchnotes hinzu. Die Skills, die es für GR braucht, werden dabei oft unterschätzt. Ich habe daher diesem Thema der Fähigkeiten in meinem Buch „CoCreate! – Das Visualisierungsbuch“ ein ganzes Kapitel gewidmet. Sorry für die Buch-Eigenwerbung, doch das Skill-Kapitel passt einfach perfekt dazu und wurde in Voraussicht dieser Diskussion verfasst. Und na klar ist es toll, dass es nun auch illustratives Graphic Recording gibt 🙂
Es ist natürlich ist es sehr begrüßenswert dass sich Illustratoren, die nun auch mit Graphic Recording anfangen, bei der KSK versichern können. Visual Facilitator und langgediente Visual Practitioner wiederum kämen nie auf so eine Idee. Somit ist alles gut und hat seine Berechtigung. Die KSK hat bestätigt, dass ausschließlich für Graphic Recordings die im Bereich der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit angefertigt werden Abgaben gezahlt werden müssen. Es ist also ein Mythos, das gelte generell. Die Kunden von Trainern müssen ja auch nicht für jedes Flipchart zahlen 😉
Aus Sicht einiger Visual Facilitator und langgedienter Graphic Recorder ist es auch eher lustig bis traurig, dass sich die Illustratoren-Organisation dem Thema GR angenommen hat. Wie gesagt, die Berufsverbände dafür existieren seit Jahrzehnten, IFVP, IAF und künftig EFVP.
Aber auch hier wieder die Chance, zusammen zu wachsen, in Dialog zu sein, voneinander zu lernen.
Daher vielen Dank an Nadine und alle weiteren Kommentare hier. So werden die Dinge vielleicht etwas klarer. Auf dem EFVP-Treffen in Prag (28.-29. April) werden Diskussion und Definitionsarbeit weitergehen.
Me pareció muy interesante y muy ilustrativo su artículo, sobre todo creo que el poder plasmar las ideas de una manera visual, es 100 veces mejor que solo texto. Yo quiero aprender a mejorar mis habilidades para sketch notes y graphic recording y me interesa el desempeñarme como un facilitador visual en mi empleo actual.