Als ich in einem Graphic Recording einer Geflüchteten zuhörte, die davon sprach, wie sie hier bei der Job-Suche Hilfe angenommen hatte, sprang mein visuelles Hirn direkt an:
Hilfe = Symbol: Rettungsring
Zum Glück sagte es aber aber auch sofort: Stopp! Da sitzt eine Geflüchtete und viele andere im Raum. AUF KEINEN FALL kannst du hier einen Rettungsring zeichnen.
Eigentlich mag ich des Symbol des Rettungsrings ganz gern, er ist einfach zu zeichnen und visuell ansprechend. Aber in diesem Zusammenhang war dieses Symbol mehr als pietätlos.
Ich begann mich also in meinem Netzwerk aus Sketchnotern und Graphic Recordern umzuhören und erstellte eine Liste mit anderen schwierigen Symbolen.
Das Thema hat mich bis heute nicht losgelassen, denn wann immer mehr Leute für immer mehr Themen Sketchnotes zeichnen, kommen auch immer mehr schwierige Themen auf.
Deswegen habe ich schon lange nach einer Möglichkeit gesucht, das mal in einem geschlossenen Rahmen mit Gleichgesinnten visuell zu diskutieren. Und jetzt war es in einem unserer Berliner Vizthink Meetups endlich soweit.
Ganz plakativ haben wir es »Let’s draw about sex« genannt (auf den Titel bin ich ein bisschen stolz). Aber es ging gar nicht nur um Sex – vielmehr um eine Sammlung vieler schwieriger Themen.
Warm Up: Zeichne Sex ohne Penis und Vagina abzubilden
Hier wollten wir die Teilnehmer ein bisschen herausfordern weiter zu denken als das zunächst naheliegende, dabei sind tolle Bilder entstanden.
Eine Übersicht der Ergebnisse findet ihr auf unserem Padlet dazu
Was sind schwierige Themen?
Als Ergebnis unseres Brainstormings haben wir folgende Themen als »schwierige« Themen ausgemacht:
- Alles rund um Sex (lapidar habe ich das mal »Untenrum« genannt):
Aufklärung, Geburt, Menstruation, Nacktheit, Scham, Body Positivity, Gender, Pipi und Kacke aber auch Themen wie Beschneidung bei Frauen - Gewalt (auch sexuelle Gewalt, Gewalt gegen Schutzbefohlene wie Kinder etc.)
- Religion
- Tod/Sterben: Hospiz, Selbsttötung, Tod durch Krankheit
- Krankheiten, z.B. Krebs
- Mentale Gesundheit: Depressionen, Burnout, Sucht, Stress
- Behinderung/Inklusion
Daran haben wir sehr lange herum gedoktort und diskutiert und kamen zu dem Schluss, dass Behinderung eine Sichtweise von außen ist und dass man am Besten Betroffene mit einbezieht - Krieg: Flucht, Folter
- Rassismus, Mobbing
Warum fällt es so schwer, Bilder für schwierige Themen zu finden?
Zunächst einmal, weil wir da eine Blockade im Kopf haben. Nicht nur wenn es um Visualisierung geht, sondern auch so: Wir befassen uns einfach nicht gerne mit unangenehmen Themen, banal gesagt, weil sie uns schlechte Gefühle machen. (Vielleicht lesen hier PsychologInnen mit und können das psychologisch besser ausführen)
Beim Visualisieren müssen wir dann noch einen Schritt weitergehen: Die Bilder (Fotos) in unserem Kopf müssen vereinfacht werden, reduziert und minimalistisch dargestellt werden, alleine schon weil es beim Zeichnen schnell gehen muss.
Und da wird es dann eben schwierig und diese Bilder gehen mitunter nicht so locker flockig von der Hand wie die »fröhlichen« Bilder.
Hier geht es oft nur über Metaphern, aber die zu finden, das ist eben die Herausforderung dabei.
Wie erarbeitet man sich schwierige Themen visuell?
Das war auch die finale Aufgabe in unserem Meetup. Wir haben ein paar Begriffe vorgegeben, für die neue alternative Symbole gefunden werden sollten. Ein Beispiel war z.B. eine Alternative für das Rollstuhl-Symbol zu finden, das oft allgemein für Behinderung genutzt wird. Aber Behinderungen sind so verschieden und komplex und oft auf gar nicht sichtbar, dass der Rollstuhl eigentlich nicht (mehr passt).
Ein anderes war ein Bild für »Toxische Männlichkeit« zu finden.
Hier habe ich zunächst überlegt, was bildlich für »Toxisch« steht: Gift, Totenkopf (als Symbol für Gift), Laborutensilien, Reagenzgläser.
Symbole für Männlichkeit sind: ein Mann (klar), ein sehr muskulöser Mann, das biologische Symbol für männlich.
Und dann habe ich versucht beide zu kombinieren.
Bücher
Ich habe in der Einleitung ein paar Bücher zu den verschiedenen Themen vorgestellt, die ich sehr inspirierend finde. Nicht nur visuell, sondern auch für Kinder. Hier sind sie aufgelistet. (Alle Affiliate)
Aufklärung und »Untenrum«
Klär mich auf – Anke Kuhl
Wie entsteht ein Baby – Fiona Smyth
Alles Familie – Anke Kuhl
Wie Vater und Mutter ein Kind bekommen – Quelle & Meyer (Das vermutlich skurilste Buch von allen)
Überall Popos – Annika Leone
Die Kackwurstfabrik – Marja Baseler , Annemarie van den Brink, Tjarko van der Pol
Von wegen Bienchen & Blümchen – Emily Claire Völker
Ein Baby in Mamas Bauch – Anna Herzog
Krieg, Rassismus (und mehr)
Hübendrüben – Franziska Gehm, Horst Klein
Pepitas de oro: Ana Frank (auf spanisch, aber die Bilder sprechen für sich) – Miguel Bustos
Das Tagebuch der Anne Frank: Graphic Diary – Ari Folman und David Polonsky
Wie ist es, wenn man anders ist? – Louise Spilsbury, Hanane Kai (davon gibt es eine ganze Reihe
Weitere Online-Ressourcen
- Bei der Lebenshilfe Bremen gibt es viele einfache Bilder, die man kaufen kann.
- Ben und Stella zeigen Bilder rund um Körper, Gefühle aber auch Missbrauch.
- Eine schöne Übersicht verschiedener Publikationen mit leichten Bildern gibt es bei Profamilia.
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